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          | Ein Krankenwagen für Bam
 
 Zeitungsartikel Rhein-Neckar-Zeitung, Oktober 2005
 von Berthold Jürriens
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  Abfahrt in Neidenstein Neidenstein (bju) „Hilfe und Zukunft für Bam e. V.“ steht mit großen Buchstaben auf der Heckscheibe des Krankenwagens. Bestückt mit zahlreichen Hilfsgütern hatten sich Bertram Seitz und sein Sohn Julius am 21. Juli 2005 auf dem Weg gemacht, um im 6000 Kilometer entfernten Bam im Iran dieses Hilfsprojekt für die im Jahr 2003 durch ein Erdbeben  					zerstörte Stadt zu verwirklichen (die RNZ berichtete).
 
 Hilfe direkt vor Ort
 26. Dezember 2003 – Zwölf Sekunden bebte die Erde im Iran. Das Epizentrum lag in der damals blühenden  Oase Bam und kostete nahezu  50 000 Menschen das Leben. Die überlebenden   					Einwohner wurden innerhalb weniger Sekunden obdachlos.  					Familie Seitz hatte im Frühjahr 2004 die Idee für die Fahrt  					nach Bam. „Hilfe direkt vor Ort leisten“, lautete das Motto  					und die 30-tägige Fahrt von Bertram und Ulrike Seitz sowie  					dem jüngsten Sohn Marius in einem Kleinbus im August 2004  					war der Anfang einer Kette von Hilfsaktionen, die die  					sechsköpfige Familie von da an unternahm. Anfangs wollte man  					versuchen, einen kleinen Beitrag zu leisten, um das Elend  					der Menschen dort zu lindern. Die Familie, die bereits  					mehrere Fahrten in den Nahen Osten unternommen hatte, wurde  					mit großer Gastfreundschaft und Offenheit aufgenommen. Sie  					knüpften Kontakte zu Einheimischen und zu Cyrus Ghiasi,  					einem Iraner, der an der Berliner Technischen Universität  					studierte und mit dem Bertram Seitz und seine Familie  					seitdem intensiven Kontakt hält. „Auch in dem Projekt mit  					dem Krankenwagen hat er sich voll reingekniet“, so Seitz  					über seinen Freund, der ihm vor allem immer wieder als  					Übersetzer große Hilfe leistete.  Nach der Rückkehr wollte  					man es nicht bei dieser einmaligen Hilfe belassen. Zu groß  					war die Not bei den Menschen, die in Zelten oder Containern  					lebten und vor dem Nichts standen. Nach einer weiteren Reise  					nach Bam im März 2005 und der Gründung des Vereins sollte  					nun dieses Großprojekt verwirklicht werden. Ein  					Krankenwagen, der im Krankenhaus Aflatounion in Bam dringend  					benötigt wurde, sollte überführt werden.
 
           Hilfgüter / Spenden 
        Ein Krankenwagen bepackt mit Spenden
        Bepackt mit zahlreichen Hilfsgütern wie Kleidern,  					Spielsachen, Verbandsmaterial, Decken und einem Rollstuhl  					war dieser Ambulanzwagen gleichzeitig das Hotel für Bertram  					und Julius Seitz in den folgenden Tagen. „Wir schliefen  					besser auf den Tragen als erwartet“, so beide und auch die  					Temperaturen, die an manchen Tagen an die 50 Grad Celsius  					erreichten, waren kein großes Hindernis.
 „Durch zahlreiche Spenden konnten wir mehr Hilfsgüter  					mitnehmen als erwartet“, freut sich Seitz und ergänzt:  					“Diese Reise hatte einen sehr hohen Wirkungsgrad. Wir hatten  					einen vollbeladenen Krankenwagen mit Hilfsgütern, konnten  					während der Reise und in Bam noch weitere Dinge kaufen und  					mussten nicht noch mit einem leeren Auto die lange Rückreise  					auf dem Landweg machen, sondern bequem mit dem Flugzeug.“ So  					erreichte sie zum Beispiel in der Türkei die Nachricht über  					eine neueingegangene Spende und kurzentschlossen bestellten  					sie in Teheran per Mail ein Spezialbett für Kopf- und  					Halsverletzte, um die Muskeln zu trainieren.
 
        
          
  türkischer Grenzbeamter an der Grenze zum Iran 
        800 – 1000 Kilometer am Tag
        Die Route führte über Österreich, Slowenien, Kroatien,  					Serbien-Montenegro, Bulgarien und die Türkei nach Persien.  					Nach gut 46 Stunden erreichte der Hilfstransport bereits  					Istanbul. „Im Durchschnitt fuhren wir 800 – 1000 Kilometer  					am Tag“, berichtet Seitz. Die freundliche Begrüßung durch  					die Zollbeamten an der türkisch-iranischen Grenze motivierte  					die beiden für die weiteren Kilometer bis Bam. Bereits hier  					erfuhren die Neidensteiner, wie auch in den Reisen zuvor,  					die unglaubliche Gastfreundschaft der Perser. „Oft brachte  					man uns Brot, Melone, Käse oder Wasser. Aber auch  					Einladungen ins Haus wurden ausgesprochen. Auch wenn die  					Leute wenig haben, es wird immer geteilt.“  In der Stadt  					Marand, zwei Stunden von der Grenze entfernt, öffnete man  					sogar die Moschee,   damit sie sich waschen konnten. „Bei  					solchen Ereignissen machte das Projekt natürlich doppelt  					Freude.“ Nachts parkte man den Krankenwagen am Straßenrand,  					häufig in der Nähe von Parks. „Die Straßen sind dort zum  					Teil schlecht und in der Nacht ist das Fahren mit Licht, man  					kann es kaum glauben, eher unüblich“, so Seitz.
 
 Herzlicher Empfang in Teheran
 In Irans Hauptstadt Teheran, nach 4900 Kilometer, wurden  					Bertram und Julius Seitz von ihrem Freund Cyrus Ghiasi und  					seiner Frau herzlich empfangen. Mit ihrer Hilfe sollte auch  					die Zollabwicklung gemeistert werden. Zusätzlich wurde die  					Elektronik vom Spezialbett eingeladen und weitere Hilfsgüter  					gekauft. Das eigentliche Bett sollte dann mit dem Flugzeug  					nach Bam geliefert werden.
 Nach acht Tagen war der Krankenwagen wohlbehalten an seinem  					Zielort Bam angekommen. „Die Zerstörung des Ortes ist immer  					noch erkennbar, nur die Zelte sind nun durch mehr Container  					ersetzt worden.“ Die blühende Oase, die durch ihr  					Weltkulturerbe, der Zitadelle von Bam, früher zahlreiche  					Touristen anlockte, ist ein Ort der Zerstörung geblieben.  					Die Mehrheit der Bevölkerung lebt genau wie vor einem Jahr  					immer noch in Containern. Laut Bertram Seitz könnte es zehn  					bis zwanzig Jahre dauern, bis in Bam alles wieder  seinen  					gewohnten Gang nimmt. Prestigebauten wie ein Fußballstadion  					hinterlassen dann schon einen bitteren Beigeschmack.
 Gemeinsam besuchten sie Personen und Einrichtungen, um die  					Hilfsgüter zu verteilen. So auch den Kindergarten, dem er  					bei seinem ersten Besuch Wiegen geschenkt hatte. „Es war  					schon toll zu sehen, dass diese im Gebrauch sind“, freute  					sich Seitz. Zu Hause hatte die Neidensteiner Familie bereits  					Pakete mit Malsachen und diversen Spielsachen für die  					Kindergärten vorbereitet. „Das sind immer die schönsten  					Erlebnisse, wenn man die Dankbarkeit der Menschen direkt zu  					spüren bekommt.“
 
 
        
          
  Verteilung von Kleidern  					In einer Siedlung mit fast 100 Containern verteilten die  					beiden Neidensteiner Kleidung und andere Hilfsgüter. „Es war  					nicht einfach, Sachen aus dem Auto rauszuholen“, erinnert  					sich Seitz. Einige bestürmten den Krankenwagen und „viele  					Hilfsbedürftige mussten leider leer ausgehen“, aber  					letztendlich sei es unmöglich jedem das zu geben, was er am  					nötigsten braucht.  						 						   türkischer Grenzbeamter an der Grenze zum Iran  					Probleme mit der ZollabwicklungEin unangenehmes Erlebnis war, als Bertram Seitz das rechte  					Rad des Krankenwagens trotz langsamer Fahrt in einen  					Bewässerungsgraben  gelenkt hatte. „Das war ein ganz  					bitterer Moment. Das Fahrzeug lag auf dem Achsschenkel.  					Danach brach auch noch der Wagenheber und das alles bei über  					40 Grad Celsius.“ Hilfe kam von sieben Männern, mit denen  					der Krankenwagen aus dem Graben gehoben wurde.  					„Glücklicherweise hatte er keinerlei Schäden“, erzählt  					Julius Seitz. Sorgen machte auch die Zollabwicklung. „Cyrus  					hatte die Sache in Teheran in die Hand genommen. Aber das  					wurde und ist eine unendliche Geschichte. Sowohl  das  					Gesundheitsministerium, die Zollbehörde und auch das  					Parlament waren damit beschäftigt. Es stand ja ein  					Regierungswechsel im Iran bevor, das machte alles noch  					komplizierter.“
 Bei den Fahrten durch Bam wurde immer wieder klar: Viele  					Menschen wohnen nach wie vor in ihren Trümmern und  					anscheinend ist niemand da, der diese wegräumt oder beim  					Wiederaufbau behilflich ist.
  						 						 						 
  zerstörte Häuser in Bam  					„Es sind die kleinen Erlebnisse“Die Begrüßung im Krankenhaus Aflatunion, wo der Krankenwagen  					übergeben wurde, war herzlich. Bertram Seitz und sein Sohn  					wurden in einer kleinen Wohnung auf dem Gelände des  					Krankenhauses untergebracht und mussten somit nicht mehr im  					Krankenwagen übernachten, der dann nur noch als  					Transportmittel genutzt wurde.
 Es sind die „kleinen Erlebnisse mit den Menschen, die dieses  					Projekt erfolgreich machten“, erklärt Julius Seitz. So wurde  					zum Beispiel ein gespendeter Rollstuhl ein spontanes  					Geschenk für eine Familie. „Der gehbehinderte Mann, der zwei  					Kinder bei dem Erdbeben verloren hatte, hatte uns mit der  					Beinprothese  seiner schwer behinderten  Frau auf der Straße  					zugewunken. Seinen beiden Kindern, die das Beben überlebt  					hatten, schenkten wir Kleidung und Spielsachen.“ Spontan  					folgte dann der Krankenwagen dieser Familie. „Wir schenkten  					ihnen den Rollstuhl und sie luden uns dann noch zu  					iranischer Limonade in ihr kleines Straßengeschäft ein“,  					erzählt Seitz begeistert.
  						 						   Schlüsselübergabe an Dr. Nachai, den Chefarzt des Krankenhauses  					Vortrag „Eine Reise nach Bam“Es gibt noch viel zu tun in Bam. Am 21. Oktober 2005,  					genau drei Monate  nach dem Start der Reise, informiert  					Familie Seitz in einer Veranstaltung alle Interessierten  					über ihr Projekt und über den Verein „Hilfe und Zukunft für  					Bam e. V.“ im Sitzungssaal des Rathauses von Neidenstein.  					Unter der Überschrift „Eine Reise nach Bam“ wird es ab 19.30  					Uhr einen Vortrag mit Bildpräsentationen zu den Reisen  					geben. Im Mittelpunkt stehen die Höhepunkte der Fahrt von  					Neidenstein nach Bam, sowie die Not aber auch die  					Gastfreundschaft der Bewohner.
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